Zeitlich komme ich nicht mehr oft dazu, aber Terminanfragen für Hochzeiten nehme ich immer noch gerne an. Meist gibt es ein Treffen vorab. Da lernen wir uns kennen, sprechen den Ablauf durch und im Groben die zu spielende Musik. Das Brautpaar am kommenden Freitag kenne ich nur über sozial Media, sie kennen mich von einer anderen Hochzeit und wissen, dass ich im Grunde alles aus den 70er bis zu den Charts spiele. In diesem Fall hat mir das Brautpaar ein paar Screenshots ihrer Spotify-Liste gesendet und ich war mehr als verdutzt. Gefühlt jedes zweite Lied war mir unbekannt oder ich hätte den Song nie im Leben auf einer Hochzeit gespielt.
Hier ein paar Beispiele: „Cobrah“, eine schwedische Sängerin aus dem Electropop steht mit „Brand New Bitch“ auf der Liste, ebenso wie mit dem Track „Feminine Energy“. Zwei echt coole Songs, die ich eher in einen nebelgefüllten Club mit Strobo verorte, wo du weder die Zeit, die Gäste um dich oder die Location wahrnimmst. Nichts also für den 80jährigen Opa und Marlene Dietrich-Fan, der am Brauttisch mitsitzt. Dafür steht er vielleicht auf „Vava“? Nie gehört? Ich auch nicht. Ihr Song „My New Swag“ hat satte 33 Millionen Aufrufe auf youtube. Vava ist eine chinesische Rapperin und verbindet Hip-Hop mit Trap und Electro. Vielleicht was für die Oma vom Opa auf der Hochzeit? Bin mir nicht ganz sicher. Aber, die Playliste mit über 60 Titel hat noch mehr Perlen. Schon mal den Track „Higher Ground“ on „TNGHT“ gehört? Ein typischer Festivaltrack aus Trap, Drum´n´Bass und fettem Beat. Dafür brauchst eine krasse Anlage, wo der Bass deine Magengrube umwälzt. Ich glaube, ich nehme einen zusätzlichen Subwoofer für das richtige Bauchgefühl nach dem Essen mit. Mich wundert mittlerweile nichts mehr. Mit „Burakaton“ finde ich einen Technotrack mit afrikanischen Elementen wieder, mit „Mahmut Orhan“ einen türkischen Sänger und „Black Caviar“ liefert in seinen EDM-Tracks ebenfalls unorthodoxe Elemente.
Die kommerziellsten Artists auf der Wunschliste sind „Faithless“, „Skrillex“ und „The White Stripes“, ganze zwei Songs kommen auf Deutsch: „RAVERohneENDE“ von „Lexy & K-Paul“ und „El Presidente“ von „Marteria“.
Braut und Bräutigam sind knapp über 30 Jahre und eindeutig keine „Quoten-Millenials“, wie sie selber sagen. Für mich wird das die spannendste EDM-Techno-Trap-Dubstep-Hochzeit ever. Womöglich auch für die Gäste, den Wirt und die hoffentlich nicht so „bucklige Verwandtschaft“. Ich freue mich Mega auf die Herausforderung und sicherlich wandert der ein oder andere Song auch in meine persönliche Playlist.
Text: Daniel Melegi